Epigenetik: Ist Bewegung in der Schwangerschaft besonders wichtig?

Teil 12 unserer Serie zur Epigenetik | Werdende Mütter könnten laut einer Studie verhindern, dass sie ihr Risiko für Übergewicht weitergeben

Stoffwechselerkrankungen, wie Typ-2-Diabetes und starkes Übergewicht, nehmen in den meisten Ländern zu. Als mögliche Ursache gilt, dass sich die Folgen übermäßiger und unausgewogener Ernährung ein Stück weit auf die Nachkommen übertragen. Wie steht es tatsächlich um die Weitergabe des elterlichen Risikos für Übergewicht an folgende Generationen?

Zahlreiche Analysen bei Menschen und Experimente mit Nagetieren zeigen: Ein Teil der Risiken wird während der so genannten „perinatalen Prägung“ weitergegeben. Dabei finden epigenetische Anpassungen des Nachwuchses durch Einflüsse aus dem Mutterleib und während der ersten Monate nach der Geburt statt. Das bedeutet, dass kleine biochemische Anlagerungen, die an oder neben den Genen sitzen, bestimmen, wie leicht die Zellen diese Gene benutzen können. Den Text der Gene, den genetischen Code, verändert diese Zusatzgenetik nicht. Vermutlich spielt zudem die epigenetische Vererbung eine Rolle, also die direkte Weitergabe von Umweltanpassungen der Eltern über deren Ei- bzw. Samenzellen an ihre Kinder – und vielleicht sogar an Enkel und Urenkel.

Präventionsprogramme für Schwangere

Jetzt haben Forschende an der University of Virginia in Charlottesville, USA, diese Erkenntnisse in einer Studie mit Mäusen bestätigt. Sie haben zudem einen Ansatz gefunden, wie man die fatale Kaskade mit einer vergleichsweise einfachen Maßnahme unterbrechen könnte:

Hatten weibliche Mäuse (ausschließlich während der Trächtigkeit) viel Bewegung, war das Erkrankungsrisiko ihrer Jungtiere bis ins Erwachsenenalter normal – egal, ob Mutter oder Vater fehlernährt und übergewichtig waren. Könnte man diese Resultate auf den Menschen übertragen, dürften zukünftige Präventionsmaßnahmen daran ansetzen, Bewegungsprogramme für Schwangere besonders attraktiv zu machen. Bislang wird Frauen vor allem empfohlen, ihr Gewicht VOR der Schwangerschaft zu normalisieren, also erst abzunehmen und dann schwanger zu werden. Auf das Übergewicht der Väter wird zudem bislang kaum geachtet.

Die Forschenden zeigen zunächst, dass sich Bewegungsmangel und zu fettreiche Ernährung bei väterlichen und mütterlichen Elterntieren in der Epigenetik der Nachkommen niederschlägt und das Risiko für Stoffwechselkrankheiten erhöht. Die Übertragung des Risikos erfolgt aber auf verschiedenen Wegen, und es spielt eine gewisse Rolle, welches Geschlecht das übergewichtige Elterntier und das beobachtete Jungtier haben. Entscheidend ist jedoch, dass sich all diese Effekte allein dadurch unterbinden lassen, dass sich das trächtige Muttertier auf einem Laufrad austoben kann. „Regelmäßige Bewegung ist möglicherweise die vielversprechendste Interventionsmaßnahme, um die Pandemie der chronischen Krankheiten zurückzudrängen“, sagt Studienleiter Zhen Yan, „denn sie kann den Teufelskreis der Krankheitsübertragung von Eltern auf ihre Kinder unterbrechen.“


Quelle:

Rhianna C. Laker et al.: Exercise during pregnancy mitigates negative effects of parental obesity on metabolic function in adult mouse offspring. Journal of Applied Physiology 130, 11.03.2021, S. 605-616.

Dieser Beitrag ist zuerst im Newsletter Epigenetik erschienen und wurde als 12. Teil der Epigenetik-Serie für unseren Blog in einer autorisierten, leicht gekürzten Version übernommen.

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„Gesundheit ist kein Zufall“ heißt der Vortrag, den er 2019 für die Belegschaft der BKK ProVita hielt und den wir aufzeichnen durften.

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Peter Spork

Dr. rer. nat. Peter Spork ist seit 30 Jahren freier Wissenschaftsautor. Im Spiegel-Bestseller „Gesundheit ist kein Zufall“ entwickelt er einen neuen Gesundheitsbegriff als generationenüberschreitenden Prozess. 2009 veröffentlichte er das erste allgemeinverständliche Buch über Epigenetik Der zweite Code. Seit 2010 gibt er den Newsletter Epigenetik heraus. (Autorenfoto: Thomas Duffé)