Plötzlich Pflegefall: Unterstützung für Angehörige

Ein plötzlicher Pflegefall kann schnell zur Überforderung führen. Diese Anlaufstellen bieten Unterstützung – jetzt mehr erfahren.

Chronische Erkrankungen, ein Unfall, geistige Beeinträchtigungen, schwere Krebserkrankungen oder altersbedingte Einschränkungen – viele Ursachen können dazu führen, dass ein Familienmitglied oder ein nahestehender Mensch zum Pflegefall wird. Plötzlich steht man vor vielen Herausforderungen und Fragen: Wer unterstützt mich jetzt, wie sieht die Rechtslage aus, welche Pflegeform passt zur Situation? Wir erklären Schritt für Schritt, was jetzt wichtig ist und welche Hilfsangebote es gibt.

Plötzlich Pflegefall – das kann nicht nur ältere Personen, sondern auch Kinder und Jugendliche treffen. Laut Sozialgesetzbuch ist ein Mensch pflegebedürftig, wenn er oder sie aufgrund von körperlichen oder psychischen Einschränkungen mindestens sechs Monate lang nicht in der Lage ist, den Alltag ohne Hilfe zu bewältigen. Tritt diese Situation ein, sind die meisten Angehörigen erst einmal überfordert. Umso wichtiger ist es dann, Ruhe zu bewahren und das weitere Vorgehen genau zu planen. Die folgenden vier Schritte können dabei helfen:

Die wichtigste Frage ist: Wie viel Pflege braucht das Familienmitglied tatsächlich? Entscheidend dafür ist, wie selbstständig eine Person in ihrem Alltag noch zurechtkommt und wobei sie oder er Hilfe braucht. „Führe am besten ein Pflegetagebuch und notiere, zu welcher Uhrzeit welche Pflegetätigkeiten nötig sind und wie lange diese dauern“, rät Laila Snoussi, Leiterin des Kompetenzzentrums Pflege der BKK ProVita. Auch die behandelnden Ärzt:innen können helfen, den Gesundheitszustand und Pflegebedarf einzuschätzen. Das kann dir helfen, den neuen Alltag zu organisieren, und ist ein Anhaltspunkt, um deinen Pflegebedarf zu ermitteln. Diesen solltest du kennen, um die nötigen Pflegeleistungen zu beantragen. Dafür wenden sich Angehörige an die Pflegekasse, also an den (an die Krankenkasse angegliederten) Träger der Pflegeversicherung. Diese schickt eine:n Gutachter:in des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zu dir nach Hause, der:die die Situation prüft und den Pflegegrad festlegt.

Als Nächstes steht die Entscheidung an, welche Pflegeform am besten zur Situation passt. Unter anderem gilt es zu klären:

  • Ist eine Betreuung zu Hause möglich?
  • Wenn ja, soll ein ambulanter Pflegedienst etwas davon übernehmen?
  • Freund:innen, Nachbar:innen, weitere Familienmitglieder – wer kommt als zusätzliche Betreuungskraft infrage?
  • Auch die sogenannte Tages- oder Nachtpflege, bei der Pflegebedürftige stundenweise in einer Einrichtung untergebracht sind, kann eine Option sein.
  • Oder ist die stationäre Pflege sinnvoller, etwa weil die Pflege zu Hause nicht sichergestellt ist oder die Angehörigen mit der Pflege überfordert sind?

„Wäge Vor- und Nachteile der verschiedenen Pflegeformen mit allen betroffenen Personen ab – idealerweise auch mit dem/r Pflegebedürftigen. Das Pflegekonzept sollte die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen“, rät Snoussi.

Manchmal können Pflegebedürftige aufgrund ihrer Einschränkungen wichtige Entscheidungen nicht mehr selbst treffen. Eine gesetzliche Vertretung muss sich dann darum kümmern, die der/die Pflegebedürftige bereits im Vorfeld – zum Beispiel durch eine Vorsorgevollmacht, eine Patientenverfügung oder eine Betreuungsverfügung – festgelegt haben. Gibt es diese Dokumente nicht und ist die pflegebedürftige Person nicht mehr in der Lage, selbstbestimmt zu entscheiden, können Angehörige eine rechtliche Betreuung beim Amtsgericht beantragen. Empfehlung: Wende dich bei rechtlichen Fragen zur Vertretung in der Pflege an eine Rechtsanwaltspraxis!

Die Pflege eines Familienmitglieds kann eine große körperliche und psychische Belastung sein. Vergiss daher nicht, beim Planen des Pflegealltags auf deine eigene Gesundheit zu achten. „Du musst nicht alles allein machen. Und auch wenn es schwerfällt: Scheue dich nicht, um Hilfe zu bitten und dir Unterstützung zu suchen“, so Snoussi. Gestehe dir immer wieder Pausen zu: Kuren oder eine Kurzzeitpflege können deine Energiespeicher wieder auffüllen. Und achte darauf, auch noch einen normalen Alltag zu haben: Triff weiterhin Freund:innen, geh ins Kino oder besuche deinen Sportkurs – nur wenn es dir gut geht, kannst du dich auch gut um andere kümmern!

„Es ist okay, sich Hilfe zu suchen!“

Wenn ein Familienmitglied plötzlich zum Pflegefall wird, gibt es viel zu bedenken und zu organisieren. Viele Angehörige unterschätzen dabei den Punkt der Selbstfürsorge. Laila Snoussi von der BKK ProVita gibt Tipps, wie das im Pflegealltag gelingt.

Neben körperlichen Beschwerden, etwa durch das regelmäßige Heben einer Person, leiden pflegende Angehörige auch unter emotionalem Stress: Sie sorgen sich einerseits um das Wohlergehen des Pflegebedürftigen – andererseits fällt es ihnen schwer, die Pflege mit den eigenen Bedürfnissen zu vereinbaren.

Die eigenen Bedürfnisse immer wieder zurückzustellen, kann auf Dauer krank machen. Im schlimmsten Fall kann es zu Depressionen, Schlafstörungen oder chronischen Schmerzen kommen. Einen anderen Menschen zu pflegen, ist dann nicht mehr möglich.

Dazu gehören beispielsweise Schlafstörungen, Erschöpfung, Reizbarkeit, Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse oder das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Wenn du solche Anzeichen bei dir bemerkst, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Davon profitiert nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch das Wohlergehen des Angehörigen.

Es ist wichtig, die Pflege von Anfang an gut zu organisieren und die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Ein Netzwerk aus verschiedenen Unterstützungsangeboten kann dabei helfen. Dazu gehören Pflegeberatungsstellen, Pflegekurse, Hilfe von Familie, Freund:innen und Nachbar:innen, Entlastungsangebote wie eine Haushaltshilfe oder eine Tages-/Kurzzeitpflege sowie Sport- und Entspannungskurse, die das eigene Wohlbefinden fördern. Es gibt wirklich viele Möglichkeiten!

Sei ehrlich zu dir selbst: Wie viel kannst du tatsächlich schaffen, auch langfristig? Beurteile auch später immer wieder die aktuelle Lage: Brauchst du Unterstützung? Wenn ja: Es ist okay, sich Hilfe zu suchen und regelmäßig kleine Auszeiten zu nehmen. Das heißt nicht, dass du deine Angehörige:n vernachlässigst.

Plötzlicher Pflegefall: Wichtige Anlaufstellen

  • Hausärzt:innen geben Informationen und Empfehlungen zu weiteren Fachärzt:innen oder Therapiemöglichkeiten.Sie wissen, welche Hilfen der:die Pflegebedürftige regelmäßig braucht, und können den aktuellen Pflegebedarf einschätzen.
  • Pflegeberatung: Bei einem Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bietet die Pflegekasse eine kostenlose Pflegeberatung. Sie kann auch durch Kommunen, Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie kirchliche Anbieter erfolgen, zum Beispiel die AWO-Pflegeberatung oder das Deutsche Rote Kreuz.
  • Die private Pflege-Pflichtversicherung bietet die Pflegeberatung durch das Unternehmen COMPASS Private Pflegeberatung an. Kostenfreie Kontaktaufnahme unter: 0800 101 88 00.
  • In manchen Regionen gibt es Pflegestützpunkte. Das sind gemeinsame Auskunfts- und Beratungsstellen der Pflegekassen und Sozialhilfeträger direkt vor Ort. Auch sie bieten eine Pflegeberatung. In der Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) kannst du alle gelisteten Pflegestützpunkte nachschlagen. Auch die Pflegekassen erteilen gerne Auskunft über den nächstgelegenen Pflegestützpunkt.
  • Sozialdienste von Kliniken, Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen unterstützen bei Anträgen auf Feststellung von Pflegebedürftigkeit, Pflegegrad, Beantragung von Hilfsmitteln etc.
  • Bei Fragen zur Pflege hilft Ihnen auch das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit weiter unter030 340 60 66-02 sowie das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums unter 030 20179131.
  • Selbsthilfegruppen bieten Tipps und Unterstützung von anderen Angehörigen. Eine Übersicht über regionale Angebote findest du zum Beispiel hier:
    Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen
    Verein Wir pflegen e.V.
    Pflege-Selbsthilfeverband e.V.
    Netzwerk pflegeBegleitung

So unterstützt dich die BKK ProVita:

BKK Pflegefinder
Pflegeheim oder ambulanter Pflegedienst? Der BKK Pflegefinder unterstützt dich bei der Suche nach passenden Einrichtungen.
Online-Pflegekurse der BKK ProVita
Die BKK ProVita bietet auch Pflegekurse. Hier kannst du dich über Pflegetechniken und den Umgang mit Herausforderungen im Pflegealltag informieren.
Pflegeberatung der BKK ProVita
Hier findest du spezialisierte Unterstützung und Beratung. Du kannst bei der Pflegeberatung der BKK ProVita Fragen zu Pflegemöglichkeiten, Finanzierung oder rechtlichen Aspekten stellen. Zudem gibt es eine kostenlose telefonische Pflegeberatung.

Immer für dich da: dein Kompetenzzentrum Pflege der BKK ProVita in Wiesbaden

Unser Service-Center der BKK ProVita in Wiesbaden zeichnet sich durch Fachwissen im Bereich Pflege aus: Das Team aus ausgebildeten Sozialversicherungsfachangestellten betreut bundesweit rund 4.800 Pflegebedürftige sowie circa 1.200 Pflegepersonen, die ihre Angehörigen pflegen. Die Begleitung ist sehr persönlich – und das oft über viele Jahre hinweg. Achtsamkeit, Hilfsbereitschaft und Einfühlsamkeit spielen dabei eine große Rolle. „Uns liegt die individuelle Betreuung wirklich sehr am Herzen. Gerade bei dem komplexen Thema Pflege ist es wichtig, dass die Betroffenen kompetente Ansprechpartner:innen haben und sich gut aufgehoben fühlen“, sagt Laila Snoussi, Leiterin des Service-Centers in Wiesbaden. Die Fachberater:innen beantworten Fragen zu Leistungen der Pflegeversicherung wie etwa Pflegegeld, helfen bei Anträgen oder unterstützen bei der Suche nach Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige. Das Gespräch mit den Fachberater:innen ist vor Ort oder telefonisch möglich. „Die Versicherten dürfen beim Thema Pflege nicht allein bleiben. Wir stehen daher als bundesweites Kompetenzzentrum mit unserer Fachkompetenz und umfangreichen Informationen zur Verfügung.

 Eine große Hilfe für pflegende Angehörige: das Kompetenzzentrum Pflege der BKK ProVita.

„Für Pflegende gut zu wissen: Sie sind nicht allein mit der Situation.“


Dieser Beitrag erschien zuerst in einer Kurzfassung in unserem MAGAZIN fürs LEBEN, Ausgabe 1/2024. Unser Mitgliedermagazin erscheint dreimal im Jahr und bietet dir viele spannende Themen. Jetzt die aktuelle Ausgabe online lesen!

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Von Montag bis Donnerstag, 08:00 bis 17:00 Uhr, sowie freitags von 08:00 bis 13:00 Uhr stehen Ihnen unsere Berater:innen im Krankheitsfall und bei sonstigen Themen zur Verfügung.