Interview mit Dr. Julia Schoierer über den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit
Die globale Erwärmung und der damit zusammenhängende Klimawandel zeigen bereits heute Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung und somit auf das Gesundheitssystem allgemein. Wir sprachen mit Dr. Julia Schoierer vom Institut für Arbeits,- Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der Universität München über die Risiken, aber auch die Chancen des Klimawandels für die Gesundheit.
Frau Dr. Schoierer, Wissenschaftler gehen davon aus, dass Allergien im Zuge des Klimawandels weiter zunehmen werden. Warum?
Dr. Julia Schoierer: Die Daten des Deutschen Wetterdienstes zeigen deutlich, dass die Temperaturen stetig ansteigen. Bei höheren Temperaturen fühlen sich viele Pflanzen wohler und blühen länger. Dadurch verlängert sich die Vegetationsperiode. Bereits heute ist die Blütezeit im Allgemeinen durchschnittlich 14 Tage früher als im langjährigen Mittel. Bestimmte Frühblüher, wie z.B. die türkische Hasel, blühen teilweise ab Dezember. Auch ein erhöhter CO2 Gehalt kann das Pflanzenwachstum verbessern und damit die Vermehrung von Pollen anregen. Das wurde zum Beispiel an der „Ambrosia“ gezeigt, einem Ackerunkraut mit hohem allergischen Potenzial. Ihre Pollenproduktion ist gegenwärtig im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter angestiegen und wird auch zukünftig unter steigenden CO2-Konzentrationen weiter ansteigen.
Warum sind insbesondere Kinder von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen?
Säuglinge und Kinder sind neben anderen vulnerablen Gruppen wie älteren Menschen, Menschen mit chronischen Grunderkrankungen oder Personen, die schwere körperliche Arbeit im Freien verrichten, besonderen Risiken ausgesetzt. Darauf verweist auch ein aktueller Forschungsbericht über das Projekt „The Lancet Countdown on Health and Climate Change“* der renommierten medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“. Kinder haben in der Regel eine höhere Exposition im Freien als wir Erwachsene, können aber das Ausmaß der Sonnenstrahlung noch nicht richtig einschätzen. Außerdem ist ihre Thermo-Regulationsfähigkeit nicht fertig entwickelt, sodass sie sich weniger gut an Hitze anpassen können. Eine weitere Gefahr stellen Extremwetterereignisse und schwerwiegende Folgen davon dar: Kinder verarbeiten solche Ereignisse psychisch ganz anders als Erwachsene. Chronische Gesundheitsprobleme können eine langfristige Folge davon sein.
Dürre und starker Niederschlag sind Beispiele für solche Extremwetterereignisse. Wie lässt sich erklären, dass diese eigentlich gegensätzlichen Phänomene gleichzeitige Folgen des Klimawandels sind?
Das ist eine spannende Frage! Steigende Temperaturen führen zu einer höheren Verdunstung und verstärken damit Dürrephasen. Die Luft kann bei höherer Verdunstung auch mehr Wasser aufnehmen – mit der Folge, dass mehr Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt. Das wiederum führt zu stärkeren Niederschlägen und Hochwasser.
Sollten Klimaschutz und Gesundheitsschutz also Hand in Hand gehen?
Es gibt tatsächlich einen engen Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Gesundheitsprävention. Wir können Maßnahmen ergreifen, die sowohl das Klima schützen als auch die persönliche Gesundheit. Ich gebe Ihnen zwei einfache Beispiele: Wenn wir etwa unseren Fleischkonsum reduzieren, dann tun wir unserer Gesundheit etwas Gutes und schützen gleichzeitig das Klima. Gleiches gilt für Bewegung: Wenn wir anstelle des Autos das Fahrrad nehmen, ist sowohl unserer Gesundheit als auch dem Klima geholfen.
Die Bewältigung des Klimawandels könnte also auch eine Chance für die Gesundheit sein?
Ja, definitiv. Hier können wertvolle Synergieeffekte genutzt werden. Die Bewältigung des Klimawandels könnte die größte Chance für die weltweite Gesundheit im 21. Jahrhundert darstellen.
Warum passiert beim Klimaschutz dann bislang noch zu wenig?
Das Problem ist, dass andere Gesundheitsthemen, wie zum Beispiel Grippewellen oder Masernfälle, wesentlich brisanter erscheinen. Der Klimawandel scheint etwas Langfristiges zu sein. Die Dringlichkeit zu handeln wird in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht wahrgenommen. Unsere große Herausforderung ist, dass wir jetzt Maßnahmen ergreifen müssen, um unsere Gesundheit und vor allem die Gesundheit der nachfolgenden Generationen zu schützen.
Frau Dr. Schoierer, wir danken Ihnen für das Gespräch!
*The Lancet Countdown on Health and Climate Change
Dr. Julia Schoierer ist Medizinpädagogin und leitet am Institut für Arbeits,- Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der Universität München Projekte im Bereich Klimawandel und Gesundheit. Die Entwicklung von Bildungsmodulen für Gesundheitsberufe als Anpassungsstrategie an den Klimawandel steht derzeit im Fokus ihrer Arbeit.
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